Die meisten Fantasyromane sind in mittelalterähnlichen Welten angelegt, das ist allgemein bekannt. Aber
wer würde schon auf die Idee kommen, Drachen in die Kriege unter Napoleon zu versetzen?
Die Antwort lautet Naomi Novik. Die New Yorkerin erschuf vor einigen Jahren die Temeraire-Saga über einen außergewöhnlichen Drachen und seinen Kapitän im Dienst von England.
Ursprünglich las ich die Saga nur, weil ich ein großer Fan von Napoleon Bonaparte bin (obwohl ich mich wundere, dass alle Bücher darüber immer aus Sicht der Engländer geschrieben sind!). Aber Temeraire ist einfach ein geniales Geschöpf.
Kürzlich erschien der siebte Band der (von mir beendet geglaubten) Reihe. Die Cover haben sich im Laufe der Zeit gewandelt, wobei ich die ersten Versionen von cbt noch am besten fand. Leider wurden diese nach der 4. Buch eingestellt.
Die englischen Originalcover sind ebenfalls besser, ebenso die englischen Titel, die deutlich ausdrucksstärker sind.
Drachenbrut / His Majesty's Dragon (Der Drache seiner Majestät)
Inhalt: Als die HMS Reliant eine französische Fregatte aufbringt, kann Captain
Will Laurence noch nicht ahnen, wie sehr sich sein Leben bald schon
ändern wird. Denn die Fregatte hat eine höchst kostbare Fracht an Bord:
ein noch nicht voll ausgebrütetes Drachenei, dem schon bald eine jener
sagenhaft mächtigen Flugkreaturen entschlüpfen wird. Will Laurence weiß
um seine Pflicht: Er muss dem Drachen einen Namen geben und so der
lebenslange menschliche Begleiter dieses Geschöpfes werden. Auch wenn
das bedeutet, dass er die Planken seines geliebten Schiffes für immer
verlassen und sich in die Lüfte erheben muss – als ein Feuerreiter
Seiner Majestät …
Das Cover zeigt Temeraire, der einer der mächtigen Himmelsdrachen ist. Und meine Lieblingsfarbe hat. Die Reihe setzt im Jahr 1805 ein.
Für ein Auftakt-Buch sehr gut geschrieben. Temeraire ist einfach toll und es wird von Anfang an perfekt beschrieben, wie schwer sich Laurence tut - die Flieger haben keinen guten Ruf unter dem Rest des Militärs.
Die Formation - Lily, Maximus, Nitidus, Dulcia, Immortalis und Messoria.
Beim Schicksal des kleinen Postdrachen Levitas habe ich geweint. Sein Kapitän hat ihn schwer verletzt allein gelassen und sich nie um ihn gekümmert. Laurence zwingt den Kapitän später, Levitas zu sagen, er habe gut gekämpft - der stirbt daraufhin wenigstens noch glücklich. Das war mit Abstand die traurigste Szene der gesamten Reihe. Auch der Schluss ist sehr spannend, geht es am Ende um eine abgeänderte Version der Schlacht bei Trafalgar...
Drachenprinz / Throne of Jade (Jadethron)
Inhalt: Kaum haben Captain Will Laurence und sein gewaltiger Drache Temeraire
ihre erste Bewährungsprobe bestanden, da erscheint eine chinesische
Delegation am britischen Königshof und fordert die Rückgabe Temeraires.
Als Laurence sich weigert, muss er seinen geliebten Gefährten in den
fernen Osten begleiten – ohne zu ahnen, was ihn und Temeraire am Ende
ihrer langen, gefahrvollen Reise erwartet …
Auf dem Cover ist der chinesische Himmelsdrache Lien zu sehen, die im Laufe der Reihe noch eine wichtige Rolle spielen wird.
Das Buch ist spannend. Der Leser leidet mit Temeraire und Laurence, die beide ihren Partner vermissen. Der Aufbau des chinesischen Reichs ist gut geschrieben, ebenso die Intrigen - und der beginnende Ärger mit Lien. Das ist sowieso Noviks Stärke.
Drachenzorn / Black Powder War (Schwarzpulverkrieg)
Inhalt: Captain Will Laurence und sein Drache Temeraire werden ins ottomanische
Imperium abkommandiert. In Istanbul warten drei Dracheneier auf sie, die
die beiden Gefährten sicher und vor dem Ausschlüpfen nach Britannien
bringen müssen – doch das bedeutet, sich erneut mit dem Drachenweibchen
Lien anzulegen, das Temeraire die Schuld am Tode seines Herrn gibt und
geschworen hat, sich blutig zu rächen …
Auf dem Cover ist vermutlich ein Kazilik, ein türkischer Feuerspucker, abgebildet, vielleicht sogar Drachendame Iskierka, ein späterer Hauptcharakter.
Die Idee bleibt fast immer gleich: Die beiden werden irgendwo hingeschickt. Natürlich ist es nicht so einfach, denn die Türken wollen die Eier nicht rausrücken. Es gab einige extrem witzige Szenen.
Drachenglanz / Empire of Ivory (Elfenbeinreich)
Inhalt: Kaum haben Will Laurence und sein Drache Temeraire ihr Abenteuer im
Ottomanischen Reich heil überstanden, da droht bereits das nächste
Unheil: In Britannien ist eine verheerende Seuche ausgebrochen, und die
Drachen der Feuerreiter siechen hilflos dahin. Niemand weiß, wie lange
diese katastrophale Schwäche noch vor dem kriegslüsternen französischen
Kaiser Napoleon geheim gehalten werden kann. Und so müssen Will Laurence
und Temeraire sofort wieder aufbrechen – dieses Mal nach Afrika, wo es
das einzige Heilmittel gegen die Seuche geben soll. Doch auf dem
schwarzen Kontinent lauern vielfältige Gefahren …
Ich habe keine Ahnung, wer das auf dem Cover sein soll. Möglicherweise einer der afrikanischen Drachen.
Drachenwacht / Tongues of Serpents (Schlangenzungen)
Inhalt:
Eigentlich war es eine gute Tat, die französischen Drachen vor einer
tödlichen Seuche zu retten aber in den Au gen seiner Landsleute hat Will
Laurence dadurch Hochverrat begangen. Er wird angeklagt, degradiert und
zurück zur Marine versetzt, während Temeraire in einem Zuchtgehege in
Schottland sein Dasein fristen muss.Doch dann überquert Napoleon mit
seiner Armee den Kanal, und es wird schnell klar, dass die britische
Admiralität es sich nicht leisten kann, auf einen Drachen wie Temeraire
zu verzichten. Und so macht Will Laurence sich auf höchsten Befehl auf
den Weg nach Schottland, wo er jedoch nur ein verlassenes Gehege
vorfindet. Und damit beginnt für den einsamen Feuerreiter die
verzweifelte Suche nach dem Freund, der ihm mehr bedeutet als das eigene
Leben.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Temeraires Ärger im Zuchtgehege, wie er sich mit dem mathematikbegabten Mischling Perscitia anfreundet und wie er schließlich seine eigene Drachenarmee mobilisiert, um England zu retten. Dieser Band ist wirklich gut gelungen.
Drachenflamme / Victory of Eagles (Sieg der Adler)
Inhalt: Will Laurence und sein Drache Temeraire haben nicht nur die britischen
Drachen von einer schrecklichen Seuche geheilt, sondern auch die
französischen. Dafür wurden sie des Hochverrats für schuldig befunden.
Doch wegen der überragenden Tapferkeit, die sie bei der Verteidigung
Britanniens bewiesen, wurde die Todesstrafe für Laurence in Verbannung
nach Australien umgewandelt. Als Verräter gebrandmarkt und von allen
angefeindet, versuchen Temeraire und sein Reiter dennoch, ihre Pflicht
zu erfüllen. Besonders drei ihnen anvertraute Dracheneier benötigen
ihren Schutz. Da entdecken Laurence und sein Drache eine chinesische
Ansiedlung, ein klarer Affront gegen das britische Empire. Doch
Temeraire steht zwischen den Fronten. Soll er den Briten helfen, die ihm
eine Heimat gaben, oder die Chinesen unterstützen, die ihn als Drachen
ehren und respektieren …
Drachenflamme sehe ich als eines der schwächsten Bücher der Reihe an. Nicht nur verabschiedet man sich von einigen Hauptdrachen wie Maximus und Lily, das Buch selber ist auch langweilig und der Schluss passt überhaupt nicht zu der Reihe.
Drachengold / Crucible of Gold (Tiegel aus Gold)
Inhalt: Captain Will Laurence und sein Himmelsdrache Temeraire wurden wegen
Verrats nach Australien verbannt. Doch nun bietet ihnen das Britische
Empire die völlige Wiederherstellung ihres Rufs, wenn sie sofort nach
Brasilien aufbrechen, um die portugiesische Königsfamilie vor Napoleons
Verbündeten zu retten. Laurence ist zwar skeptisch, doch welche Wahl hat
er schon? Die Reise nach Rio birgt allerdings unerwartete Gefahren.
Nicht nur werden Temeraire und sein Reiter dort bereits von einem alten
Feind erwartet. Sie geraten außerdem ins Visier des mächtigen Inkareichs.
Die Beschreibung auf dem Klappentext greift leider viel zu viel des Buchs auf, was erst gegen Ende kommt. Aber das Buch ist (obwohl ich anfangs skeptisch war) wieder sehr schön. Unnötig fand ich, dass wieder zwei bekannte Charaktere, die seit dem ersten Buch dabei sind, sterben und das völlig beiläufig: Tom Riley und Geschirrmeister Fellows. Die Handlung spielt mittlerweile im Jahr 1810 (entnommen aus einer Bemerkung, Napoléon habe sich von Joséphine scheiden lassen).
Schön wiederum ist, dass die komplette alte Formation wider auftaucht, inklusive Kapitäne. Teils war das Buch ziemlich witzig. Besonders gut gefallen hat mir, als Napoléon aufgetaucht ist.
Das Ende war nicht übel, jedenfalls kennen wir nun das nächste Reiseziel: Wie im 2. Band geht es nach China.
Wie man sieht kommen Temeraire und Laurence viel herum. Im letzten Band sind sie in Begleitung von Kazilik Iskierka und ihrem Kapitän John Granby, sowie dem afrikanischen Drachen Kulingile und seinem jungen Kapitän Demane. Naomi Novik hat ein Stärke darin, die gesellschaftiche Ordnung und die entsprechenden Schwierigkeiten der Mannschaft zu beschreiben. Ebenso gut durchdacht sind die Gespräche.
Allein ihre Vielfalt der Drachenrassen ist beeindruckend.
Etwas schade finde ich, dass Laurence und Temeraire zwar viel herumkommen, aber vom eigentlichen Krieg kaum etwas mitbekommen. 1. Trafalgar, 2. Preußen, 3. französische Invasion über den Kanal. Möglich wäre, dass einer der nächsten Romane, in Russland spielt. Zwar dürfte das eventuell erst nach ein oder zwei Bänden geschehen, wenn Novik ihre zeitlichen Handlungsabstände weiter einhält und es zuerst nach China geht, aber es wäre möglich. Es wäre ein neues Reiseziel für die Truppe und der Russlandfeldzug ist mit Sicherheit kein unbedeutendes Ereignis. (Ich gehe davon aus, dass Novik die Reihe beendet, wenn Napoleon dann irgendwann geschlagen ist.)
Temeraires Sprachkenntnisse sind wirklich beeindruckend: Englisch, Französisch, teils Deutsch, etwas Türkisch, Chinesisch, die Drachensprache, Quechua (Inka), wahrscheinlich auch Portugiesisch und die Sprache der afrikanischen Tswana.
Zudem versuchte sich die Autorin zuerst an historischer Korrektheit, was die Daten anging, aber nun hat sie auch das über den Haufen geworfen. Trotzdem eine tolle Reihe, auf jeden Fall lesenswert.
~Lex
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